Leseprobe
Valentin
trat aufs Gaspedal und fuhr zornig davon. Nur weg von hier. Vor nicht einmal
zwei Minuten war er aus dem Haus gestürmt und hatte sich hinters Steuer
geklemmt. Keinen Augenblick länger hätte er das Gezeter ertragen.
Cédric,
sein mittlerweile wohl frischer Ex hatte sich am heutigen Tage als absolute
Nullnummer erwiesen.
Nein,
falsch, Nummern hatte er diverse geschoben, aber eben nicht mit Valentin,
sondern mit irgendwelchen dahergelaufenen Typen, die er im Netz aufgegabelt hatte.
Valentin
schnaubte. Gay-wie-auch-immer. Solche Seiten waren nichts anderes als
Sexanbahnungsplattformen für die tausende armseliger Kerle, die entweder nach
einem Sugardaddy suchten oder sich nicht nur ihr Hirn, sondern wohl auch gleich
noch jegliches Herz rausgevögelt hatten. Oh und klar, genug Schlampen und
Flittchen gab es auch dort.
Wie Cédric.
Willig und geil, solange man ihn mit einem guten Fick oder einem möglichst exklusiven Abendprogramm verwöhnte.
Das war ja
alles gut und schön für die Typen, die eben keinen Bock auf eine feste
Beziehung hatten, aber in Valentins Augen hatten sich dort nur Kerle
herumzutreiben, die ungebunden waren.
Cédric war
es bis grade eben nicht gewesen. Bis zu dem Augenblick, in dem Valentin
aufgesprungen und abgehauen war.
„Ich
kann es dir nicht erklären! Bitte, Val!“ Cédrics Stimme hallt noch in seinen Ohren. „Natürlich
habe ich mit anderen geschlafen … Ich brauchte das einfach, okay?! Du warst
unterwegs und hast es doch gar nicht mitgekriegt!“
Valentin
schnaubte noch einmal. Natürlich! Weil homosexuelle Männer ja nicht treu sein
konnten. Weil sie ihrem Schwanz und dessen Wünschen folgten, anstatt auch ab
und an mal auf ihre Gefühle – oder die eines anderen! – zu achten. Zum Kotzen!
Er
versuchte sich zu erinnern, wie oft er Cédric angeboten hatte, ihn zu
begleiten, wenn er unterwegs war. Er hatte ihm damit ein Exklusivticket in die
Welt eröffnet, aber Cédric hatte es abgelehnt.
Valentin
war Pilot. Nicht bei einer großen Airline, sondern für eine Firma, deren Bosse
Linienflüge hassten und sich deshalb zwei Privatjets angeschafft hatten.
Und Cédric
hatte ihn tatsächlich nicht ein einziges Mal begleitet, obwohl das problemlos
möglich gewesen wäre.
Während
Valentin darüber nachdachte, begriff er, dass sein Ex wohl schon von Anfang an
jede Möglichkeit zu Seitensprüngen genutzt hatte.
„Tja, so
enden sie, dreieinhalb Jahre einer Beziehung, die wohl nie etwas anderes war
als einseitig“, murrte er vor sich hin.
Cédrics
letzte Worte schossen ihm in den Kopf: „Wenn du jetzt gehst, glaub ja nicht,
dass ich noch hier bin, wenn du zurückkommst!“
War ja mal
ne interessante Drohung, fand Valentin. Im Grunde wäre er unendlich dankbar
dafür, dass Cédric sich innerhalb kürzester Zeit verpisste.
Auf den
Anblick dieses verlogenen, betrügerischen Typen hatte er nämlich genauso wenig
Lust, wie auf dessen Kram, der noch in seiner Wohnung lag.
„Prima,
wirf den Schlüssel in den Briefkasten, wenn du die Tür hinter dir abgeschlossen
hast!“, hatte
Valentin zurückgefaucht und sich aus dem Staub gemacht. So ein Loser, echt mal!
Er
versuchte, sich auf die Fahrt zu konzentrieren, was ihm einigermaßen
schwerfiel. Denn ja, verdammt, es tat weh, jahrelang so ausgenutzt und
hintergangen worden zu sein! Unglaublich weh.
Und genau
das ärgerte ihn über die Maße. Er wollte einfach nur sauer auf Cédric sein,
wollte nicht jegliches Vertrauen in andere verlieren, nur weil ein
Arschloch ihn betrogen hatte.
Eines war
ihm jedenfalls jetzt schon klar, von Beziehungen, Partnerschaften oder auch nur
schnellem, unverbindlichen Sex hatte er erst einmal die Nase voll.
Valentin
suchte eine CD heraus und schob sie in den Player, drehte die Anlage auf und
sah zu spät, dass die Ampel, der er sich näherte, rot war.
Obwohl er
voll in die Eisen ging, schaffte er es nicht, an der Haltelinie zu bremsen.
Sein BMW rollte vor dem Stillstand noch eine Wagenlänge weiter und nichts und
niemand konnte den folgenden Aufprall verhindern.
Ein Wagen
knallte von links in seinen BMW und alles, was Valentin noch dachte, war:
Scheiße, das war’s also.
* * *
Er erwachte
mit höllischen Kopfschmerzen, stöhnte leise und versuchte, sich zu bewegen,
doch eine Frauenstimme hielt ihn davon ab.
„Bleiben Sie
ruhig liegen, bitte. Es tut mir so leid! Nicht bewegen! Möchten Sie etwas
trinken?“, haspelte es irgendwo neben ihm.
Valentin
war sich sicher, dass er die Stimme nicht kannte, und öffnete mühsam blinzelnd
die Augen, um nach der Sprecherin zu suchen, die seine rechte Hand ergriffen
hatte und sie sacht tätschelte.
Als er es
schaffte, blickte er in ein schmales Gesicht, aus dem ein blaues Augenpaar ihn
musterte. Große, dunkelblonde Locken umrahmten ihren Kopf mit einer wilden
Kurzhaarfrisur.
Sein
hübsches Gegenüber war vielleicht Mitte zwanzig und jetzt begriff Valentin
auch, wieso es so belegt geklungen hatte: Die Augen waren gerötet, die Wangen
etwas verquollen und ganz offensichtlich hatte sie geweint.
Doch nicht
etwa seinetwegen?
Er
erinnerte sich an ihre Frage und nickte.
„Ja,
Wasser, bitte“, brachte er mühsam hervor und bemerkte, dass seine Zunge sich
aufgedunsen und rau anfühlte.
Sie sprang
auf, ließ seine Hand los und hantierte neben ihm herum, bevor sie ihm mit
zittrigen Händen ein kleines Glas hinhielt.
Er wollte
es ihr abnehmen, doch sie schob ihre freie Hand unter seinen Nacken und setzte
ihm das Glas an die Lippen. „Bitte, lassen Sie sich helfen. Ich … ich bin so
froh, dass Sie leben!“
Irgendwann
sickerte, neben dem Wasser, das wohltuend seine Kehle hinabrann, die Erkenntnis
in seinen Kopf, dass die junge Frau wohl mit dem Unfall zu tun hatte.
Valentin
räusperte sich, nachdem sie das Glas abgesetzt hatte. „Was fehlt mir?“
Ihr
Gesichtsausdruck änderte sich. So stellte sich Valentin das personifizierte
schlechte Gewissen vor.
„Sie haben
einige Knochenbrüche, aber die Ärzte wollten mir nichts Genaues sagen. Ich
glaube, ich rufe besser eine Schwester, damit Sie Ihnen alles erklärt.“
Valentin
hielt sie zurück und ergriff ihre Hand. „Hören Sie“, begann er. „Es war meine
Schuld, okay? Ich habe die Ampel zu spät beachtet und konnte nicht mehr
rechtzeitig bremsen.“
Sie zwang
sich zu einem schiefen Lächeln. „Ist wirklich lieb, dass Sie das sagen, aber
die Bull… äh … ich meine, die Polizei sieht das anders.“
Valentin
runzelte die Stirn. Echt? Er war erst mitten in der Kreuzung zum Halt gekommen,
das wusste er genau!
„Wenn ich
jetzt die Schwester hole, kann ich in der Zeit jemanden für Sie anrufen. Wem
soll ich Bescheid sagen, was passiert ist?“
Einen ganz
kurzen Moment lang dachte Valentin an Cédric, doch er schüttelte hastig den
Kopf, nur um laut aufzustöhnen. Den wollte er hier ganz sicher nicht sehen!
„Meinem
Boss.“ Er nannte ihr die Nummer, die sie hastig in ihr Smartphone eintippte,
bevor sie es schnell wieder in ihrer Tasche verschwinden ließ.
Er sah ihr
nach, als sie zur Tür ging und verschwand.
Käse, echt!
Wie hatte das alles nur passieren können? Da passte er mal einmal nicht richtig
auf und schon lag er im Krankenhaus! Noch dazu mit etlichen Knochenbrüchen …
Eine
Krankenschwester trat ein und kam mit raschen Schritten auf ihn zu. „Wie schön,
dass Sie aufgewacht sind, Herr Jeraki. Ich bin Annegret. Und mir wird heute die
nicht ganz so angenehme Aufgabe zuteil, Sie über Ihren Gesundheitszustand
aufzuklären“, begann sie.
Er nickte
schwach und sah sie an. „Na dann mal los. Was fehlt mir?“
„Sie haben
zwei Frakturen im linken Bein, geprellte Rippen, ebenfalls links und eine
Gehirnerschütterung. Alles in allem sind Sie also relativ glimpflich aus der
Sache herausgekommen. Ein Polizeibeamter will im Laufe des Tages noch
herkommen, um mit Ihnen über den Unfall zu sprechen. Fühlen Sie sich dazu in
der Lage?“
Er zögerte.
Eigentlich wollte er zuerst mit seinem Boss sprechen, aber letzten Endes: Was
änderte das?
„Kein
Problem. Sagen Sie, wer ist die junge Frau, die hier bei mir war?“ Erst jetzt
wurde ihm klar, dass er sie eben nicht danach gefragt hatte.
Annegret
lächelte milde. „Das ist Sara Kordes, sie fuhr den Wagen, der Sie aufs Korn
genommen hat.“
„Sie denkt,
sie sei schuld an dem Unfall, aber das ist sie nicht. Vielleicht ist es ganz
gut, wenn ich das der Polizei möglichst bald mitteile.“
„Tun Sie
das. Die Ärmste ist schon seit Ihrer Einlieferung total durch den Wind. Sie
hatte Angst, dass Sie stinkwütend sein könnten.“
Valentin
nickte. „Das bin ich auch, aber nicht auf sie, sondern auf mich. Okay, sagen
Sie mir bitte noch, wie lange ich voraussichtlich hier bleiben muss?“
„Hm, das
kann ich nicht beantworten, aber morgen früh bei der Visite wird der Chef Ihnen
dazu sicherlich etwas sagen können.“
„Gut, ich
werde bis dahin wohl nicht weglaufen.“ Sein Lächeln verrutsche etwas und er
versuchte, sich an dem über seinem Kopf hängenden Dreieck hochzuziehen.
Ohne auf
seine Bitte zu warten, half Annegret ihm und kippte das Kopfende seines Bettes
mit wenigen schnellen Handgriffen in eine Position, die ihm ein einigermaßen
bequemes Sitzen ermöglichte – und auch endlich einen Blick auf sein
offensichtlich eingegipstes linkes Bein.
„Danke“,
sagte er und sie wandte sich zum Gehen.
„Wenn Sie
etwas brauchen, klingeln Sie.“
Valentin
begriff, dass er in den nächsten Tagen wohl kaum auf eine Toilette gehen
konnte, und schickte ein paar saftige Flüche in sein Einzelbettzimmer.
Wenigstens hatte er beim Benutzen der Bettpfanne keine Zuschauer …
Er hob die
Bettdecke an und besah sich den Gips. Tatsächlich, er reichte vom Beinansatz
bis zu den Zehen.
„Na halbe
Sachen machen die hier offenbar nicht“, murmelte er, als die Tür sich nach
einem Klopfen erneut öffnete, und Frau Kordes wieder eintrat. Sie sah deutlich
gefasster aus.
„Ich habe
Ihren Boss erreicht. Er sagte, er wird sich heute noch hier blicken lassen.“
Sie setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett und beobachtete ihn. „Kann ich
Ihnen irgendwas Gutes tun? Brauchen Sie ein Buch oder … keine Ahnung … ein
Rätselheft oder so?“
Valentin
konnte ein Kichern nicht ganz unterdrücken, was ihn schmerzhaft an seine
geprellten Rippen erinnerte. Er verzog das Gesicht und biss sich auf die
Lippen. „Rätselheft … Ich glaube, so alt bin ich noch nicht. Aber vielen Dank.
Das Einzige, was ich derzeit gut gebrauchen könnte, ist mein Laptop.“
Sie
grinste. „Darf ich fragen, was Sie von Beruf sind? Ihr Boss klang nicht so, als
würde er Sie möglichst bald wieder an irgendeinem Schreibtisch erwarten …“
„Er
erwartet mich höchstens bald wieder in zehntausend Metern Höhe am Steuerknüppel
seines Jets. Ich bin Pilot.“ Nur die halbe Wahrheit, aber mehr musste sie nicht
wissen. Mehr wusste außerhalb der Firma niemand.
Sie machte
große Augen. „Pilot? Wow, das nenn‘ ich nen coolen Job!“
„Fliegen
Sie gern?“, fragte er ehrlich interessiert. Das Leuchten in ihren Augen, die
endlich nicht mehr ganz so verheult aussahen, veranlasste ihn dazu, sie von dem
Unfall abzulenken. Sie litt und das, weil er einen Fehler begangen hatte.
Sie nickte
so heftig, dass ihre kurzen Locken wippten. „Total! Leider viel zu selten.“
„Was machen
Sie beruflich? Ich meine, Sie sitzen hier mitten am Tag am Krankenbett eines
Wildfremden …“
„Ich
studiere. Nebenbei jobbe ich in einer Videothek und am Wochenende in einer
Kneipe.“
„Ich
verstehe. Hören Sie, wenn ich wieder in einen Flieger steigen darf, werde ich
Sie mal mitnehmen, okay?“
Wieder riss
sie die Augen auf. „Das geht?“
Er nickte
möglichst langsam, um seinen noch immer pochenden Kopf zu schonen. „Ja, das
geht. Wenn Sie mir sagen, wohin Sie schon immer mal fliegen wollten, kann ich
das arrangieren.“
„Das wäre
der Hamm… Nein, warten Sie. Das kann ich nicht annehmen. Mark würde vollkommen
ausrasten …“
„Mark?“
„Mein
älterer Bruder. Ich wohne bei ihm, das erspart mir die Miete …“
„Klingt
nach einem netten Bruder. Haben Sie noch mehr Geschwister?“
„Nein, nur
ihn. Er ist fünf Jahre älter als ich.“
„Und wieso
würde er ausrasten?“
„Na ja, er
ist … wie soll ich das sagen? Überfürsorglich? Ja, ich glaube, das trifft es am
besten.“
„Dass er
sich Gedanken macht, ist doch nichts Schlimmes. In jedem Fall besser als
Desinteresse, oder nicht?“
„Ja, schon
…“ Sie sah auf ihre Armbanduhr und schürzte die Lippen. „Tut mir leid, ich muss
bald gehen. Soll ich Ihnen nicht doch noch ein Buch organisieren? Was lesen Sie
gern?“
„Hm, gute
Frage, ich bin eher die Comic-Fraktion. Leute, die Bücher lesen, rümpfen über
meinesgleichen wohl gern die Nase.“
Sie lachte.
„Da würde ich an Ihrer Stelle nichts drauf geben. Manchmal wünschte ich, meine
Fachbücher wären in Comicform geschrieben, auch wenn sie dadurch noch dicker
würden …“
Ein paar
Minuten später klopfte es erneut an der Tür und ein Mann streckte den Kopf
herein. „Du bist noch hier, da kann ich ja lange unten warten.“
Valentin beobachtete,
wie der Neuankömmling entschuldigend lächelte und näher kam. „Entschuldigung,
Mark Kordes. Mein Schwesterchen hat heute Morgen ihren Wagen zu Schrott
gefahren und braucht deshalb einen Chauffeur.“
Valentin
grinste. Dieser Mark sah nett aus. Nein, eigentlich sah er verdammt gut aus.
Groß, dunkelblonde, deutlich kürzere Locken als Sara, im Grunde aber eine
ausgesprochen männliche Ausgabe seiner kleinen Schwester. Der Bartschatten um
sein markantes Kinn verriet Lässigkeit und Selbstbewusstsein. Der Kleidungsstil
ebenfalls.
„Guten Tag.
Das ist sehr nett von Ihnen, Ihre Schwester zu kutschieren.“
Mark trat
näher und reichte Valentin die Hand. „Freut mich, Sie lebendig und wach zu
sehen, aber wir müssen jetzt wirklich los“, er wandte sich an seine Schwester:
„Sara, ich habe in einer halben Stunde das nächste Shooting.“
Valentin
dachte darüber nach, dass Mark hundertprozentig gut genug aussah, um ein
gefragtes Model zu sein, doch er verkniff sich eine entsprechende Frage.
„Deine
Superweibchen rennen dir schon nicht weg, nur weil du ein paar Minuten zu spät
kommst“, erwiderte Sara, erhob sich aber bereitwillig.
„Kommen Sie
gut nach Hause“, ließ Valentin sich vernehmen und lächelte. „Und bitte, machen
Sie sich keine Sorgen. Ich werde dem Polizisten, der nachher noch vorbeikommen
soll, sagen, dass Sie keine Schuld tragen.“
Valentin
fing einen erstaunten Blick von Mark auf.
„Das ist
wirklich lieb. Ich komme morgen wieder vorbei, wenn ich darf.“ Sara lächelte.
„Das
brauchen Sie nicht. Aber ich freue mich immer über Besuch.“ Valentin wusste
nicht, wie er es anders ausdrücken sollte. Klar würde er sich auch morgen gut
mit ihr unterhalten, sie war sehr sympathisch. Aber er wollte ihr auf keinen
Fall das Gefühl geben, ihm etwas schuldig zu sein. Dann fiel ihm noch etwas
ein. „Sind Sie so nett und lassen mir eine Telefonnummer und Adresse hier?
Meine Versicherung wird diese Daten brauchen, damit Sie schnell wieder mobil
sind.“
Sie
schnaubte leise. „Werden Sie gefälligst erst mal wieder gesund!“, befahl sie
und öffnete ihre Handtasche, um ihm wenig später einen Zettel mit allen
relevanten Informationen zu geben. „Ich habe ihn vorhin geschrieben, als Sie
noch geschlafen haben. Aber ehrlich, kümmern Sie sich darum, wenn Sie hier raus
sind, nicht vorher, versprochen?“
Valentin
wollte schon nicken, doch Mark drängte zum Aufbruch und ersparte ihm damit ein
Versprechen, das er hundertprozentig zu brechen gedacht hätte.
Eine halbe
Stunde lang zappte Valentin lustlos durch die TV-Kanäle, dann dämmerte er
dahin, bis es wieder an der Tür klopfte und sein Boss, dicht gefolgt von einem
Polizeibeamten in zivil, eintrat.
Valentin
schilderte den Unfallhergang, beharrte darauf, die alleinige Schuld zu tragen
und nach einer guten Viertelstunde machte der Beamte sich wieder auf den Weg.
Sein Boss,
Raphael Sawra, blieb noch und musterte ihn ernst. „Was ist passiert, dass du so
unaufmerksam warst?“
„Cédric …
Wir hatten einen ziemlich endgültigen Streit. Ich habe mich von ihm getrennt.“
Raphael
runzelte die Stirn. „Trennung? Aus heiterem Himmel? Wenn ich mich recht
entsinne, warst du Anfang der Woche noch Feuer und Flamme, als ich sagte, wir
fliegen zurück nach Berlin …“
„Ja, schon,
aber da wusste ich auch noch nicht, dass mein Freund mir mehr oder weniger seit
Beginn unserer Beziehung fremd geht.“
„Oh“,
machte Raphael. „Dann verstehe ich deine Wut.“
„Wut? Ich
bin nicht wütend, ich bin … keine Ahnung … enttäuscht?“
„Hm, wenn
du drüber reden willst …“, begann er.
„Nein, will
ich nicht, danke. Aber ich muss dich um ein paar andere Dinge bitten.“
Valentin
zählte auf, was er in den nächsten Tagen, möglicherweise Wochen hier im
Krankenhaus benötigen würde. Neben Kleidung und Waschkram stand sein Laptop
ganz oben auf der Liste. Dann erzählte er Raphael von Sara und ihren
autotechnischen Sorgen.
„Kannst du
dafür sorgen, dass sie nen Leihwagen auf meine Kosten kriegt, bis die
Versicherung das geklärt hat? Im Moment muss ihr Bruder sie überall hinfahren
…“
„Muss er?
Wieso fährt sie nicht wie jeder normale Mensch in Berlin mit Bus und Bahn?“
„Ich denke,
das liegt an seiner … Überfürsorglichkeit, so nannte sie es.“
„Okay, ich
regle das. Und wegen deiner Sachen: Ich werde David schicken, um alles bei dir
abzuholen und dir zu bringen. Ich bin im Moment ziemlich eingespannt.“
„Schon
klar, verstehe ich. Auf jeden Fall danke. David kann dann auch mein Telefon
anmelden. Der liebt diesen ganzen Bürokratiequatsch doch.“
„Okay, hast
du sonst noch Wünsche? Pizza, MP3-Player, irgendetwas?“
„Nein, ich
denke, fürs Erste bin ich versorgt, wenn David mir alles herbringt.“
Raphael
verschwand eine gute Stunde später und Valentin fühlte sich beinahe sofort von
Müdigkeit übermannt.
Schwester
Annegret weckte ihn zum Abendessen, welches er mit Heißhunger bis auf den
letzten Krümel verspeiste und anschließend sofort wieder einschlief.
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